[00:11.322] Fast jeder weiß was in Hameln geschah, vor tausend und einem Jahr [00:15.844] Wie die Ratten dort hausten, die alles fraßen was nicht aus Eisen war [00:20.631] Zu dieser Zeit kam ich nach langer Fahrt als Spielmann in diese Stadt [00:25.276] Und ich hörte als erstes den Herold schreien, als ich den Markt betrat [00:29.954] Wer mit Gottes Hilfe oder allein die Stadt von den Ratten befreit [00:34.249] Für den lägen ab nun beim Magistrat hundert Taler in Gold bereit [00:51.066] Ich packte mein Bündel, die Flöte und Leier und klopfte ans Rathaustor [00:55.739] Kaum sah man mich schlug man die Tür wieder zu und legte den Riegel vor [01:00.203] Und ich hörte wie man den Herren sagte, es stünde ein Mann vor dem Tor [01:05.396] Zerrissen und stinkend in bunte Lumpen, mit einem Ring im Ohr [01:09.334] Dieser Mann nun ließe den Herren sagen, er käme von weit, weit her [01:14.190] Und er böte der Stadt seine Hilfe, weil er ein Rattenfänger wär [01:31.791] Ich wartete lange, dann rief eine Stimme durch die geschlossene Tür: [01:36.105] "Vernichte die Ratten und du bekommst die versprochenen Taler dafür!" [01:40.530] Und ich ging und blies in der Nacht die Flöte, immer nur einen einzigen Ton [01:45.333] Der so hoch war, dass nur die Ratten ihn hörten, und keine kam davon [01:49.392] Bis hinein in die Weser folgte mir bald die ganze quiekende Brut [01:54.316] Und an Morgen trieben dann hunderttausend Kadaver in der Flut [02:10.830] Als die Hamelner Bürger hörten, was alles geschehen war in der Nacht [02:15.233] Tanzten sie auf den Straßen, nur an mich hat keiner gedacht [02:19.533] Und als ich dann wieder vorm Rathaus stand und forderte meinen Lohn [02:24.241] Schlug man auch diesmal die Tür vor mir zu und erklärte mir voller Hohn [02:28.345] Nur der Teufel könne bei meiner Arbeit im Spiel gewesen sein [02:33.391] Deshalb sei es gerecht ich triebe bei ihm meine hundert Taler ein [02:50.150] Doch ich blieb und wartete Stunde um Stunde bis zum Abend vor jenem Haus [02:54.947] Aber die Ratsherren die drinnen saßen, trauten sich nicht heraus [02:59.027] Als es Nacht war kamen bewaffnete Kerle, ein dutzend oder mehr [03:04.128] Die schlugen mir ihre Spieße ins Kreuz und stießen mich vor sich her [03:07.923] Vor der Stadt hetzten sie ihre Hunde auf mich und die Bestien schonten mich nicht [03:12.764] Sie rissen mich um und pissten mir noch ins blutende Gesicht [03:28.946] Als der Mond schien flickte ich meine Lumpen, wusch meine Wunden im Fluss [03:33.601] Und weinte dabei vor Schwäche und Wut, bis der Schlaf mir die Augen schloss [03:37.769] Doch noch einmal ging ich zurück in die Stadt und hatte dabei einen Plan [03:42.510] Denn es war Sonntag, die Bürger traten eben zum Kirchgang an [03:46.809] Nur die Kinder und die Alten blieben an diesem Morgen allein [03:51.617] Und ich hoffte, die Kinder würden gerechter, als ihre Väter sein [04:08.659] Ich hatte vorher mein zerfleischtes Gesicht mir bunten Farbe bedeckt [04:13.346] Und mein Wams, damit man die Löcher nicht sah, mit Hahnenfedern besteckt [04:17.359] Und ich spielte und sang, bald kamen die Kinder zu mir von überall her [04:22.201] Hörten was ich sang mit Empörung und vergaßen es nie mehr [04:26.457] Und die Kinder beschlossen mir zu helfen und nicht mehr zuzusehen [04:31.191] Wo Unrecht geschieht, sondern immer gemeinsam dagegen anzugehen [04:46.877] Und die Hamelner Kinder hielten ihr Wort und bildeten ein Gericht [04:51.382] Zerrten die Bosheit und die Lügen ihrer Väter ans Licht [04:55.395] Und sie weckten damit in ihren Eltern Betroffenheit und Scham [05:00.197] Und weil er sich schämte, schlug manch ein Vater sein Kind fast krumm und lahm [05:04.292] Doch mit jeder Misshandlung wuchs der Mut der Kinder dieser Stadt [05:09.117] Und die hilflosen Bürger brachten die Sache vor den hohen Rat [05:26.441] Es geschah was heute noch immer geschieht, wo Ruhe mehr gilt als Recht [05:30.981] Denn wo die Herrschenden Ruhe wollen, geht's den Beherrschten schlecht [05:35.246] So beschloss man die Vertreibung einer ganzen Generation [05:40.128] In der Nacht desselben Tages begann die schmutzige Aktion [05:44.127] Gefesselt und geknebelt, von den eigenen Vätern bewacht [05:48.724] Hat man die Kinder von Hameln ganz heimlich aus der Stadt gebracht [06:06.237] Nun war wieder Ruhe in der Stadt Hameln, fast wie in einem Grab [06:10.618] Doch die Niedertracht blühte, die Ratsherren fassten eilig ein Schreiben ab [06:14.813] Das wurde der Stadtchronik beigefügt, mit dem Stempel des Landesherren [06:19.430] Und besagt, dass die Kinder vom Rattenfänger ermordet worden wär'n [06:23.524] Doch die Hamelner Kinder sind nicht tot, zerstreut in alle Welt [06:28.277] Haben auch sie wieder Kinder gezeugt, ihnen diese Geschichte erzählt [06:44.507] Denn auch heute noch setzen sich Menschen für die Rechte Schwächerer ein [06:49.192] Diese Menschen könnten wohl die Erben der Hamelner Kinder sein [06:53.633] Doch noch immer herrscht die Lüge über die Wahrheit in der Welt [06:57.977] Und solange die Gewalt und Angst die Macht in Händen hält [07:02.108] Solange kann ich nicht sterben, nicht ausruhen und nicht fliehen [07:07.146] Sondern muss als Spielmann und Rattenfänger immer weiter ziehen [07:14.189] Denn noch nehmen Menschen Unrecht als Naturgewalt in Kauf [07:19.247] Und ich hetze noch heute die Kinder dagegen immer wieder auf [07:26.067] Und ich hetze noch heute die Kinder dagegen immer wieder auf